Interviewreihe ARD-Themenwoche 2017

„Woran glaubst Du?“

„Antworten auf wichtige Fragen erhalte ich alleine im Wald“

Göttliche Kräfte offenbaren sich in jedem Stein, jedem Baum und jeder Pflanze, sagt der Druide Volker Volkmann. Im Interview spricht er über seinen Glauben an die Natur, die Stille des Waldes und eine Nahtod-Erfahrung.

 

Herr Volkmann, woran glauben Sie?

Ich gebe mir Mühe nicht nur einfach an irgendetwas zu glauben, sondern praktisches Wissen zu erlangen. Daher ist mein „Glaubenssystem“ die Naturreligion. Sie ist vermutlich die älteste, natürlich gewachsene Religionsform unserer Zeit. Nachdem die ersten Menschen sesshaft wurden und Ackerbau und Viehzucht betrieben entwickelten sich aus dem inneren Erleben Übergangsrituale (Rites of Passage wie z.B. kultische Handlungen für die Geburt, Erwachsen werden, Schwangerschaft, Alter, Tod usw.) Gleichzeitig entwickelten sich die Jahreskreis-Feste im Zusammenhang des Vegetationsrhythmus von Aussaat bis Ernte. Diese Formen von Ur-Religionen führten je nach geografischer Umgebung zu verschieden ausgeprägten Kulthandlungen. Die Spuren davon  finden sich gleichermaßen in Archäologie und Folklore bis zum heutigen Tag. Als Europäer habe ich intensiv meine eigenen Wurzeln gesucht und auch gefunden.

Von anderen Glaubenssystemen ( z.B. Christentum, Islam, Judentum ) unterscheidet sich Naturreligion deutlich dadurch, dass es keine „Offenbarungsreligion „ ist , bei der Priester oder Propheten bestimmen was richtig oder falsch  im Sinne einer Gottheit ist. Vielmehr ist jeder Mensch angehalten, den Kontakt mit Göttern, Geistern und Naturwesen selbst zu suchen und eigene Weisheit zu finden. Wir haben auch keine heiligen Schriften, da wir glauben, dass Weisheit nur praktisch und individuell von Mund zu Ohr weiter gegeben werden kann. Jeder Mensch hat innerhalb der naturreligiösen Philosophie eine sehr große individuelle Freiheit, solange er keinem schadet. Es gibt eine Vielzahl von Anregungen in Folklore Musik und Texten die uns weise Menschen hinterlassen haben. Diese sind ein Zugang zu europäischen, naturreligiösen Bräuchen und Ritualen und tragen deren alte Weisheiten in sich.  Das persönliche Verständnis eines Menschen wächst ein Leben lang durch praktische Erfahrungen. Spiritualität heißt für uns naturreligiöse Menschen, in erster Linie dem Wohl allen Seins verpflichtet zu sein. Es heißt in Liebe, achtsam, verantwortlich und tolerant zu handeln. Wir sind nicht getrennt von der Welt um uns herum. Wir möchten eine lebenswerte Zukunft für uns und unsere Kinder in Einklang und Achtsamkeit mit der Natur erreichen. Wir möchten dazu beitragen, dass das Verständnis dafür wächst, das Unterdrückung, Gewalt und Kriege keine Mittel zur Lösung der globalen und gesell­schaftlichen Probleme sind.

Ich glaube, dass sich die göttlichen Kräfte in jedem Stein, jedem Baum, jeder Pflanze, jedem Tier und jedem Menschen offenbaren, wenn man es zulässt bzw. sich darin übt.

Wie sind Sie zu Ihrem Glauben gekommen – und wann?

Ich bin 1973 auf der Suche nach meinen Wurzeln fast zufällig mit meinen ersten grossen Lehrern in Kontakt gekommen.  K. S. und W. E. Sie begleiteten meine ersten Schritte in die Bereiche der Esoterik, Geheimwissenschaften und Philosophie. Auf der Suche nach fun­diertem Wissen lernte ich bei verschiedenen Gruppierungen und Gemeinschaften, 1979 Godenweihe, 1985 Wicca Master Degree , 1997 Druide. Seit dem Ende meiner Ausbildungen leite ich selbst rituelle Handlungen, Jahreskreis- Feiern und initiiere Kunst-Events in der Natur.

Welche Rolle spielt Ihr Glaube – im Alltag, im Leben, im Beruf?

Mein naturreligiöser Glauben ist der Kern meiner Lebensphilosophie. Er hilft mir Achtsam und Liebevoll zu handeln und voller Mitgefühl durch das Leben zu gehen. Gleichzeitig erfahre ich den Wert und die Freude des Lebendigseins. Meine langjährigen täglichen Übungen (körperlich und mental) helfen mir selbst und vielen anderen Menschen körperlich und geistig fit zu bleiben und offen für die Botschaften der anderen Seite, die der Götter und Natur-Geister. Ein großer  Teil des alten Wissens über Heilkunde und Medizin erweitert und verbessert die Arbeit in meiner Naturheilpraxis.

Welche Reaktionen bekommen Sie von Menschen?

Sehr viele naturreligiösen Menschen fürchten Repressalien und trauen sich nur zögerlich an die Öffentlichkeit  weil sie schlechte Erfahrungen machen mussten. Allerdings finden unsere Veranstaltungen mittlerweile sehr viel mehr Zustimmung und Akzeptanz. So veranstalten wir Waldkunst-Events mit Kunstwerken aus Naturmaterial, bei Baumtagen mit Baumpflanzungen haben wir in knapp 20 Jahren schon einige ha Mischwald und Baumkreise aufgeforstet. Auch unsere Lichterspiralen mit Harfenmusik erfreuen sich seit  Jahren vieler begeisterter Besucher. Die Reaktionen sind sehr positiv und man merkt wie sehr die Naturerfahrung Menschen verändert.

In welchen Momenten zweifeln Sie an Ihrem Glauben oder hadern mit ihm?

Im naturreligiösen Glauben zu leben, bestätigt sich eigentlich ständig. Kein Wunder, da man seine Entscheidungen selber trifft und auch die Konsequenzen dafür tragen muss. Es gibt niemanden, der die Verantwortung für einen übernimmt und auch keinen der die Sünden für andere büßt. Vielmehr wissen wir, dass jede „Tat“ die man vollbringt dreifach zu einem zurückkehrt, im Guten wie im Bösen. Religion ist in meinen Augen etwas das Menschen verbindet und zu neuen besseren Lösungen für alle Menschen auf diesem Planeten beitragen kann. Dabei sind Frieden und Liebe die Voraussetzung tolerant miteinander um zu gehen. Die Göttinnen und Götter schützen uns nicht vor Kriegen oder Naturkatastrophen.

 Erzählen Sie uns von einem besonderen Glaubenserlebnis!

Mein wichtigstes Erlebnis war eine Nah-Tod-Erfahrung in früher Jugend. Dabei wurde mir bewusst wie kostbar jeder Augenblick des Lebens ist. Aus dieser Erfahrung erwuchs der Wunsch wirkliches – Inneres Wissen – zu erlangen und die Antworten auf Fragen des Lebens zu finden. Besonders intensive und heilige Erfahrungen waren die Geburten meiner Kinder, bei denen ich anwesend sein durfte, deren Segnungen an der heiligen Quelle in Barenton und die vielen zauberhaften Treffen mit naturreligiösen Menschen an den heiligen Plätzen unserer Ahnen, oft abseits der Wege in der Stille des Waldes. Besonders und einzigartig war es am Heidentag der KultURgeister mit so vielen naturreligiösen Menschen im Kreis gemeinsam zusammen zu kommen und die alten Tänze zu tanzen und Lieder zu singen. Antworten auf wichtige Fragen erhalte ich meistens alleine im Wald.

Das Interview führte Martin Walter

 

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Veröffentlicht unter ARD-Onlineportal – 08.06.2017 – zum Artikel